Der erste Ausgang ins Freie
Zur Premiere im Freien kommt es entweder, weil das Tier neu in die Familie gekommen ist oder weil ein Umzug stattgefunden hat. Das bedeutet nicht nur, dass die Katze ein neues Revier erkunden muss. Auch Freunde und Feinde unter den Artgenossen kennenzulernen, ist enorm wichtig. Und schließlich gibt es da ja noch Gefahren durch den Verkehr – oder Nachbars Hunde. Vor dem ersten Freigang sollten Katzenhalter also einige Vorkehrungen treffen, damit er nicht zum Horrortrip für Mensch und Tier wird.
Wie gehe ich vor, damit er nicht zum Horrortrip für Mensch und Tier wird
Ich gratuliere Ihnen. Sie haben es geschafft, Ihr neues Büsi einige Wochen in der Wohnung zu behalten, was bestimmt mit einigem Aufwand verbunden war. Die erste Hürde ist damit genommen, und nun folgt gleich die zweite. Diese ist nicht weniger schwierig zu meistern und wird sehr oft unterschätzt.
Es gibt Menschen, die denken, dass einige Wochen Eingewöhnungszeit genug sind, damit ihr neues Büsi den Heimweg instinktiv wieder findet, wenn man ihm bei schönem Wetter die Türen erstmals in die weite Welt öffnet.
Dem ist leider überhaupt nicht so. Die Anfangsphase des Ausgangs ist eine sehr schwierige und wichtige Zeit, die Ihre volle Aufmerksamkeit und sehr viel Unterstützung verlangt. Es ist enorm wertvoll, wenn Sie sich jetzt viel Zeit für Ihren Schützling nehmen, ihn eng begleiten und nicht einfach sich selbst überlassen.
Warten Sie mit dem ersten Ausgang lieber möglichst lang. Geben Sie Ihrer Katze die Gelegenheit, sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Je stärker Ihr Bezug zu Ihrem neuen Familienmitglied ist, desto einfacher wird das Erlebnis Ausgang für alle zu bewältigen sein. Gerade bei einer scheuen Katze benötigt es eine Menge Einfühlungsvermögen, um den ersten Ausgang so zu gestalten, dass sie wieder zurück kann und sich – vor allem – auch wieder zurück traut.
Ist Ihr Schützling genügend vorbereitet?
- Haben Sie die Katzentorübungen schon gemacht? (siehe Eingewöhnungsblatt)
- Das Halsband irritiert die Katze nicht mehr?
- Vertraut Ihnen Ihre Katze?
Dann können Sie ihr nun vertrauen, dass sie den letzten schwierigen Schritt mit Ihrer Hilfe meistern wird. Denken Sie daran, es ist der wichtigste Abschnitt, in dem Ihr Büsi Ihre volle Unterstützung braucht.
Es zahlt sich aus, sich jetzt viel Zeit für Ihren Schützling zu nehmen, ihn zu unterstützen und zu begleiten und ihn nicht einfach sich selbst zu überlassen. Ihr neues Familienmitglied hat eine sehr schwierige Zeit vor sich. Zwar würde es die neu gewonnene Freiheit gerne geniessen und so richtig auskosten, aber dem stehen vorderhand noch einige Hindernisse im Wege.
Eine der Hauptschwierigkeiten ist unsere viel zu grosse Katzenpopulation. Da gibt es kaum Platz für Neulinge. Jeder muss sich erst einmal ein Revier erkämpfen. Ihr Büsi läuft Gefahr, bei seinen ersten Ausgangsversuchen verjagt zu werden und flüchten zu müssen.
Je scheuer eine Katze ist, desto mehr Gespür braucht es, um den künftigen Ausgang so zu gestalten, dass der Schützling ganz einfach wieder zurück kann – und sich das auch traut. Oft ist der Freiheitsdrang zwar so gross, dass eine Katze sich etwas wagt (z. B. durchs Katzentor hinaus), sich dasselbe (nämlich zurückkehren durchs Tor) aber kein zweites Mal traut.
In Panik fliehen die Tiere irgendwohin und leider nicht, wie wir es gerne hätten, zurück in ihr neues Zuhause. Oft trauen sie sich nach einem solchen Erlebnis kaum mehr hervor, haben vielleicht Bisse oder andere Verletzungen erlitten, welche Schmerzen verursachen und sie an der Rückkehr hindern. Meistens aber haben sie ganz einfach grosse Angst, wieder aus ihrem Versteck hervorzukommen.
Aber auch wenn Ihr Büsi nicht auf feindlich eingestellte Katzen trifft, sind die vielen neuen Eindrücke und Gerüche sehr aufregend und ermüdend. Deshalb sollten die ersten Ausgänge nur kurz sein.
In der Praxis sieht das so aus:
Binden Sie zuerst das Katzentor hoch, damit das Aufdrücken und das mit dem Zuschnappen verbundene Geräusch nicht zu Störfaktoren werden. Nach einigen Tagen löst man das Törchen wieder, legt aber von aussen gegen innen ein Stecklein in die Öffnung, damit ein Spalt offen bleibt und die Katze ihr Futter, das Sie drinnen platziert haben, schmecken kann. Hinaus findet sie in der Regel ganz automatisch. Das wird täglich wiederholt, bis sie mit der Zeit die Angst vor dem Klappen des Tors verliert.
Einige Punkte, die Sie hierbei beachten sollten:
- Man lässt die Katze nur vor den Mahlzeiten hinaus. Stellen Sie das Fressen dann eine Weile lang innen neben dem Ausgangstor auf.
- Der erste Ausgang sollte immer unter Aufsicht, am Tag und mit viel Unterstützung erfolgen. Er soll nach Möglichkeit ganz kurz sein, denn die vielen Eindrücke sind sehr anstrengend und ermüdend. Regentage eignen sich besonders gut für kurze Ausgänge, weil die meisten Katzen wasserscheu sind.
- Belohnen Sie Ihr Büsi bei jeder Rückkehr mit Futter und rühmen Sie es. Es hat sich bewährt, einige Wochen vor dem Ausgang vor jeder Mahlzeit mit einer Büchse mit Leckerli zu schütteln. So erkennt die Katze diesen Ton wieder. Sie können sie damit nach Hause locken, auch wenn Sie sie später vielleicht einmal suchen müssen.
- Oder Sie lassen sie am Anfang an der langen Leine hinaus. Was im ersten Moment vielleicht etwas lächerlich tönt, kann sehr nützlich sein. Allerdings lässt sich nicht jede Katze so ein „Gschtältli" anziehen.
Keinesfalls sollten Sie Ihre Katze nachts rauslassen. In der ersten Zeit tagsüber auch nur dann, wenn Sie zu Hause sind und Zeit haben, das ganze Geschehen zu beobachten. Lassen Sie Ihren Liebling bei den ersten Ausflügen niemals aus den Augen. Umkreisen Sie ihn. Belohnen und loben Sie ihn, sobald er sich dem Haus nähert. Schenken Sie ihm Ihre ganze Aufmerksamkeit und zeigen Sie ihm Ihre echte Freude, wenn er zurückkommt.
Sicherheit durch Übung
Zu Beginn geht es darum, Sicherheit auf dem Fluchtweg ins vertraute Heim zu bekommen. Das gelingt nur mit Ihrer aktiven Unterstützung! Nehmen Sie sich die notwendige Zeit und überlassen Sie Ihre Samtpfoten nicht sich selbst, in der Hoffnung, dass schon alles gut kommen wird. So einfach darf man es sich in der heutigen hoch technisierten Zeit mit dieser enorm grossen Katzenpopulation nicht machen, sonst kann die gemeinsame Freude von kurzer Dauer sein.
Zeigen Sie Ihrem Büsi mehrmals den Weg durchs Katzentor hinein, damit es mit dem Fluchtweg vertraut wird und belohnen Sie es jedes Mal mit viel Streicheleinheiten und etwas Futter.
Geben Sie ihm dann die Ruhe, die es nach seinen ersten Ausflügen dringend braucht, um das Neue zu verarbeiten. Selber wird es sich diese Ruhe nicht gönnen, weil es ja sonst etwas verpassen könnte. Übermüdete Katzen aber sind überall enormen Gefahren ausgesetzt.
Unternehmen Sie die ersten Ausflüge unbedingt zusammen und nur Schritt für Schritt, jeden Tag etwas länger, z. B. 10 Minuten am 1.Tag, 20 am 2., 2 mal 10 Minuten am 3. usw.
Sollte Ihr Büsi nichtsdestotrotz in den ersten Tagen längere Zeit nicht wieder auftauchen, glauben Sie bloss nicht, dass es jetzt erst einmal seine Freiheit geniesse oder gar dass es nun nichts mehr von Ihnen wissen wolle und etwa an seinen alten Ort zurückgelaufen sei. Dem ist ganz bestimmt nicht so – es braucht jetzt dringend Ihre Hilfe. Diese Tiere haben sich in der Regel erschreckt und trauen sich nicht mehr nach Hause. Jedenfalls gilt es schnell zu reagieren. Rufen Sie uns in dieser Situation umgehend an. Wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.
Eine weitere Hilfe um den ersten Ausgang einfacher zu gestalten, könnte ein provisorischer Zaun sein.
Nachts – von Vorteil im Haus
Sicher würden wir alle unserer Katze gerne viel Freiheit gönnen und ihr das Herein- und Hinausgehen
frei überlassen. Leider finden unsere Schützlinge aber in der heutigen Zeit wegen der vielerorts hohen
Bevölkerungsdichte nicht mehr den Freiraum, den ihre Vorfahren noch kannten. Und die wenigsten
von uns können ihrem Samtpfötchen eine Bauernhofidylle bieten. Um die Katze nicht unnötigen Gefahren auszusetzen, empfehlen wir deshalb, sie nachts im Hause zu behalten. 90 Prozent aller Unfälle
mit Tieren ereignen sich in der Nacht. Wenn es ruhig ist, wagen sich Katzen eher zu Strassen, die
tagsüber stark befahren sind. Leider ist aber auch das Tempo der wenigen, die unterwegs sind, gerne
um einiges höher und ihre Sicht durch die Dunkelheit eingeschränkt.
Gleichzeitig sind in der Nacht wilde Tiere auf Futtersuche. Sie stellen eine weitere Gefahr (Verfolgungsjagden) für unsere Stubentiger dar. Die Katzenpopulation ist in den letzten Jahren so enorm
gewachsen, dass es oft zu Überschneidungen von Revieren kommt, was ebenfalls zu Verfolgungsjagden führen kann.
Vor allem Berufstätige sollten versuchen, ihre Katzen tagsüber ins Freie zu lassen, wenn sie bei der
Arbeit sind, und sie hereinrufen, sobald sie nach Hause kommen. Nur so kann eine genügend gute
Beziehung zwischen Mensch und Tier entstehen. Katzen sind anpassungsfähige Lebewesen, die
gerne den Kontakt zu uns suchen, was wir auch pflegen und schätzen sollten.
Wie bringe ich eine Katze abends herein, wo sie doch nachtaktiv ist?
Eine Katze, die tagsüber mehrheitlich schläft, ist automatisch nachtaktiv. Ein Tier, das aber nur tagsüber Auslauf hat oder ausreichend beschäftigt wird, wird sich auch nachts ruhiger verhalten. Die Hauptmahlzeit sollte deshalb auf den späten Nachmittag oder Abend verlegt werden. Nach dieser Fütterung bleibt das Katzentor nach aussen verschlossen. Wichtig ist aber dennoch, die Katze auch tagsüber jederzeit wahrzunehmen und mit wenig Leckerbissen zu belohnen, wenn sie nach Hause kommt.
Abends dann sollte man sich genügend Zeit nehmen, jedes einzelne Tier mit vielen Streicheleinheiten zu verwöhnen. Tipp: Bis sich dieses Ritual eingespielt hat, überdeckt man das geschlossene Katzentor von Vorteil mit irgendeinem Gegenstand.
Katzentorterror
Vielleicht tröstet es Sie ein wenig, wenn ich Ihnen sage, dass Sie nicht alleine sind mit diesem Problem. In dieser Phase entscheidet sich, wer den härteren Kopf hat. Zum Wohle Ihrer Schützlinge empfehle ich Ihnen, sich durchzusetzen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie schwierig das ist und wie oft man dem Frieden zuliebe ins Wanken kommt. Trotzdem gilt es nun hart zu bleiben.
Katze kommt nicht mehr heim
Oft ist der Freiheitsdrang zwar so gross, dass eine Katze sich etwas wagt (z.B. durchs Katzentor hinaus), sich dasselbe (nämlich zurückkehren durchs Tor) aber kein zweites Mal traut. Oder sie kehrt anfänglich von ihren Ausgängen zurück, nutzt vermeintlich dann aber nach ein paar Tagen die neu gewonnene Freiheit. In Tat und Wahrheit haben diese Tiere allerdings meist einfach Angst und bleiben deshalb von zu Hause fern. Entflohene Katzen wiederum sind irritiert; sie verhalten sich sehr scheu und unberechenbar. Nicht selten erkennen sie "ihre" Menschen in der Angst nicht mehr.
Nehmen Sie ihr das nicht übel, sondern helfen Sie ihr, sich wieder orientieren zu können und den Boden unter den Füssen zurückzuerhalten.
Es kann zum Beispiel vorkommen, dass die Katze einige Tage regelmässig zurückkommt. Plötzlich wagt sie sich weiter weg und kommt in ein Revier, wo sie vielleicht vertrieben wird und sich dann verläuft oder sich nicht mehr zurück traut. Unser Schützling ist jetzt auf unsere Hilfe angewiesen. Lassen Sie keine wertvolle Zeit verstreichen! Je früher Sie suchen, desto grösser ist der Erfolg.
Von Ruth Morgenegg, 8912 Obfelden, www.nagerstation.ch