Zusammenführung von Katzen
Ob eine Vergesellschaftung funktioniert oder nicht kann nicht sofort beurteilt werden. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass die Zusammenführung von Katzen Zeit und viel Geduld für den schwierigen Prozess erfordert. Oft entsteht gerade bei langsam wachsenden Freundschaften eine viel tiefere Beziehung, die ein Leben lang hält.
Was man im Vorfeld wissen sollte
Theorien wie „Katzen sind einander freundlich gesonnen oder nicht. Entweder funktioniert es von Anfang an oder gar nie." kann ich nicht unterstützen. Meine jahrelange Erfahrung in der Zusammenführung von Katzen hat mir viel eher gezeigt, dass Menschen leider oft zu wenig Geduld haben. Sie lassen den Tieren nicht die Zeit, die sie für diesen vielfach schwierigen Prozess zwingend brauchen.
Liebe auf den ersten Blick bildet auch bei uns Menschen die Ausnahme und nicht die Regel. Oft entsteht gerade bei langsam wachsenden Freundschaften eine viel tiefere Beziehung, die ein Leben lang
anhält.
Es gibt Katzen mit einem sehr stark ausgeprägten Sozialverhalten. Sie suchen die Nähe ihrer Artgenossen. Auf der anderen Seite gibt es Einzelgänger, die friedlich neben einer Zweitkatze leben können, ohne zu kuscheln oder deren Nähe zu suchen. Solche Tiere erinnern mich immer an meine Grossmutter, die nach Grossvaters Tod sagte, dass sie zwar ein Leben lang miteinander gestritten hätten, die Einsamkeit ohne ihn nun aber schlimmer sei.
Häufig sind Katzen, die Menschen gegenüber scheu sind, viel sozialer zu Artgenossen, denn sie brauchen diesen Kontakt auch. Sehr menschenbezogene zutrauliche Katzen haben oft viel mehr Mühe bei einer Neuanpassung an einen Artgenossen.
Die verbreitete Annahme, dass die Anpassung mit einem Jungtier leichter fällt, lässt sich ebenfalls nicht mit unseren Erfahrungen vereinbaren. Im jugendlichen Alter ist der Charakter noch nicht voll ersichtlich, und nicht selten ist ein älteres Tier mit einem Jungtier als Partner masslos überfordert. In solchen Fällen rate ich gleich zur Aufnahme von zwei Jungen. So werden sie in ihrem natürlichen Verhalten wie beispielsweise dem Spieltrieb nicht eingeschränkt, und das alteingesessene Tier kann erst einmal ungestört auf Distanz zuschauen. Hier sollte man auf die Erfahrung der Tierheimleitung vertrauen. Sie kennt ihre Schützlinge in der Regel gut und kann deren Charakter richtig einschätzen.
Eine Neuanpassung braucht viel Mut und gute Vorbereitung – nicht zuletzt mental – aber auch die Bereitschaft, die anfänglich schwierige Zeit in Kauf zu nehmen und die Tiere nur mit positivem Denken und Handeln zu unterstützen. Darum muss ein solches Vorhaben wirklich gut überdacht sein.
Die Einstellung des Tierfreundes spielt dabei eine zentrale Rolle. Wenn man nicht bereit ist, Anfangsschwierigkeiten in Kauf zu nehmen und den Tieren die Zeit zu geben, die sie brauchen, sollte man im Zweifelsfalle lieber kein neues Büsi dazu nehmen. Denn ein Abbruch des Versuchs nach wenigen Tagen oder Wochen ist für alle Beteiligten nur mit Frust und Stress verbunden. Mit einer Rückgabe nimmt man den neu platzierten Tieren erneut den Boden unter den Füssen weg. Das verkraftet nicht jedes Lebewesen schadlos. Stressbedingte Krankheiten sind vorprogrammiert.
Was beachten, damit die Zusammenführung gelingt
Stellen Sie den Korb mit dem neuen Büsi nie vor Ihre alteingesessenen Tiere. Und nehmen Sie auch nicht eines auf den Arm, um es so dem anderen vorzustellen. Das ist der pure Stress für die Katzen und entspricht nicht ihrem instinktiven Verhalten. Am besten quartieren Sie das neue Büsi nach dem Stress der Reise erst einmal in ein vorbereitetes Zimmer. Gönnen Sie ihm einige Stunden Ruhe. Sie können später nacheinander die eine und dann die andere Katze streicheln und so den Geruch der
einen auf die andere übertragen. Nach etwa einem Tag öffnen Sie die Zimmertüre zur Hälfte.
Die Tiere brauchen zuerst einmal Distanz, um die Körpersprache des anderen wahrzunehmen. Schimpfen Sie niemals, wenn eines faucht. Die Einmischung des Menschen ist mit Bestimmtheit kontraproduktiv. Fauchen und Knurren ist in den ersten zwei Wochen völlig normal; wir sollten dem gelassen begegnen.
Man stellt sich von Vorteil auf eine turbulente Zeit ein und greift nach Möglichkeit nicht ein. Ruhe ist das Allerwichtigste. Katzen machen das viel natürlicher und unkomplizierter untereinander aus als wir Menschen. Manchmal eben nicht allzu zimperlich. Auch das ist natürlich. Man sollte sich wirklich darum bemühen, der Natur ihren Lauf zu lassen.
Unterstützende Massnahmen
Am Anfang haben beide ihren eigenen Futternapf in einem grosszügigen Abstand voneinander. Später können die Behältnisse allmählich näher zueinander gestellt werden.
Von Vorteil lässt man die heimische Katze mindestens drei Wochen nicht ins Freie. So riskieren Sie nicht, dass das alteingesessene Tier öfters und länger wegbleibt und die Anpassung hinausgezögert wird. Will man der Katze den Ausgang nicht völlig verbieten, können Sie das Katzentor so einstellen, dass sie zwar jederzeit hereinkommen kann, aber Sie ihr die Türe öffnen, wenn sie hinaus will. Allerdings wird die Anpassung so einiges länger dauern.
Wichtig ist auch, genügend Katzenkistli aufzustellen. Sie sollten so platziert werden, dass jedes Tier ungestört das Katzenklo erreichen kann, ohne durch das Revier des anderen laufen zu müssen. Animieren Sie Ihre Tiere zum Spielen. Das verbindet und wirkt entspannend. Und es ist auch für uns Menschen eine Freude zuzuschauen, wie sie sich dadurch täglich ein bisschen näher kommen.
Was tun, wenn die Tiere gerade aufeinander lossteuern?
Sprechen Sie mit der angreifenden Katze – ruhig und bestimmt. Sagen Sie ihr, was Sie für Absichten haben und dass Sie von ihr ein wenig Toleranz verlangen. Geben Sie ihr aber auch zu verstehen, dass es ganz normal ist, wenn sie im Moment nicht sehr erfreut ist.
Lassen Sie die älteren Tiere spüren, dass sie weiterhin von Ihnen geliebt werden und geben Sie ihnen die Aufgabe, den Neuling in die Gemeinschaft einzuführen und ihn bei der Eingewöhnung zu unterstützen. Katzen übernehmen gerne Aufgaben und sind auch stolz darauf. Zeigen Sie Ihre Bewunderung, wenn das gelingt.
Geben Sie den Tieren die Zeit, die sie brauchen
In erster Linie brauchen Ihre Katzen jetzt Ruhe, Geborgenheit und viel Zeit, um Vertrauen zu einander aufbauen zu können. Zu hohe Erwartungen von uns Menschen hemmen den Aufbau gegenseitigen Vertrauens und können ihn gar blockieren. Katzen wollen ihrem Menschen von Natur her gefallen und sind so sensibel, dass sie spüren, wenn ihnen das nicht gelingt. Deshalb sollte die Eingewöhnung und Anpassung in die Gemeinschaft mit geduldiger Zurückhaltung ermöglicht werden.
Freuen Sie sich an den ganz kleinen Fortschritten. Tiere können uns Menschen so viel geben, wenn wir es nur zulassen und annehmen. Bestimmt werden Sie eines Tages für Ihre Geduld belohnt.
Von Ruth Morgenegg, 8912 Obfelden, www.nagerstation.ch